"37-Jähriger während eines Polizeieinsatzes im mittelhessischen Biedenkopf erstickt" (2014)
"Am Abend des 17. März 2010 stirbt ein 29-jähriger abgewiesener Flüchtling aus Nigeria in Polizeigewahrsam" (2010)
Auf den ersten Blick, scheint dieses Thema nur für Sicherheitspersonal und Polizisten interessant zu sein. Schließlich haben diese es oftmals täglich mit Personen zu tun, die auf Grund ihres Verhaltens, fixiert und gefesselt werden müssen. Auch in der Ausbildung, haben diese Berufsgruppen schon einmal vom sog. "Gewahrsamstod" auch "Positional Asphyxia" - Syndrom", kurz PA-Syndrom oder kurz PAS gehört.
Aber auch Rettungskräfte oder Privatpersonen können in Situationen kommen, in der eine Person und mit Kraft, Manpower oder Hilfsmitteln fixiert werden muss.
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor:
Sie sind Zeuge einer Straftat. Es gelingt Ihnen, den Täter, zusammen mit Passanten, nach einer Verfolgungsjagd zu stellen. Gemeinsam bringen Sie ihn zu Boden knieen oder liegen auf ihm und warten auf die gerufene Polizei.
Der Täter wehrt sich nach Kräften, anfänglich unter wüsten Beschimpfungen und Beleidigungen, er bietet alle Kraft auf die er hat. Diese verleitet zum noch festerem zupacken. Doch plötzlich erschlafft er und stirbt!
Wie konnte das passieren????
Der lagebedingte Erstickungstod spielt in der Ausbildung der Polizei eine zunehmend größere Rolle. Polizeibeamte werden inzwischen über die Problematik informiert und entsprechend ausgebildet.
Jedoch ist es lt. Aussage von Prof. Penning der Uni München, nicht nur für Polizisten, sondern auch für erfahrene Ärzte und Sanitäter sehr schwer zu erkennen, ob es sich bei der Gegenwehr der betroffenen Person um „Widerstand“ oder um einen "Überlebenskampf" handelt.
Die betroffene Person verfällt beim Eintreten eines lagebedingten Erstickungstodes während des polizeilichen Einschreitens in einen sogenannten Teufelskreis, bei dem ein Faktor wiederum einen anderen, die Situation weiter verschlechternden auslöst.
Dieser Teufelskreis besteht aus:
* erhöhter Adrenalinausschüttung (durch vorausgegangene Flucht oder Tätlichkeiten)
* erhöhtem Sauerstoffbedarf in Gehirn und Muskulatur (nach oder während der Anstrengung)
* Atemnot durch die atmungshemmende Positionierung (Bauchlage, Hände auf dem Rücken)
* Todesangst, welche wiederum einen Anstieg des Adrenalingehalts zur Folge hat.
Der Betroffene kämpft nun nicht mehr um seine Freiheit oder gegen seine "Gegner", sondern ringt schlichtweg um sein Leben.
Dieser Umstand, in dem der Betroffene nun alle Kraft aufbietet um wieder Luft zu bekommen, wird durch die Festnehmenden sehr leicht als Gegenwehr fehlinterpretiert, was in aller Regel die Verstärkung des "unmittelbaren Zwangs" zur Folge hat. Hierdurch fällt es dem Betroffenen noch schwerer zu atmen, was letztenendes die Bewusstlosigkeit oder den Tod zur Folge hat.
Andere Faktoren spielen aber u.U. auch noch eine wichtige Rolle. Übergewicht, Alkohol- oder Drogenkonsum können ebenso ein entscheidender Faktor sein wie Stress. Letzterer führt, gerade in einem Kampf und unter der Wirkung von Adrenalin, zu einer erhöhten Atemfrequenz (zur Erhöhung des Sauerstoffgehaltes des Blutes). Wird nun diese sehr hohe Atemfrequenz plötzlich mechanisch verhindert, tritt das Ersticken der Person ein.
Auch der Einsatz von Reizstoffsprühgeräten kann eine Gefahr darstellen. Durch das Einatmen des Wirkstoffes, kommt es zu einem vermehrtem Hustenreiz. In Kombination mit einer darauf folgenden Fixierung steigt das Risiko eines Gewahrsamstodes enorm an.
Maßnahmen gegen den „lagebedingten Erstickungstod“:
Der Hinweis „ich bekomme keine Luft (mehr)" kann natürlich nur ein Trick sein. Es ist also Vorsicht geboten! Kann man die Person mit Hilfsmitteln fesseln (z.B. Gürtel, Kabelbinder oder Handschellen) so sind zuerst die Arme zu fesseln. Dies kann auf dem Rücken, sprich in Bauchlage geschehen!
Danach sollte die Person hingesetzt, hingekniet oder zur Seite gedreht werden, um den Druck vom Brustkorb zu nehmen. Hier hat sich der Hinweis bewährt, dass bei einem erneutem aggressiven Verhalten, die Person wieder in die Bauchlage gebracht wird! Auch sollten die Beine nicht außer Acht gelassen werden, da ein Austreten weiterhin möglich ist. Je nach Einsatzlage, sollte eine Person immer den Zustand der gefesselten Person beobachten!
Aus der Literatur ist bekannt, dass es bei Verhaftungen und der Überwältigung von Personen durch die Polizei immer wieder zu Todesfällen kommen kann, wenn die körperlich und physisch stark erregten Personen in Bauchlage mit hinter dem Rücken gefesselten Armen festgehalten werden.
Laut Amnesty International ist die Fesselung in Bauchlage (also der Verbleib in der Bauchlage mit auf den Rücken fixierten Armen) eine Foltermethode. In den USA ist die Fesselung bäuchlings seit 20 Jahren verboten. Die Fesselung ist schmerzhaft, atembehindernd und kommt einer Folter gleich.
Im Regelfall wird den einschreitenden Personen (Beamten) erst an diesem Punkt – und oft zu spät – bewusst, dass der Betroffene unter dem PAS leidet.
Quellen:
Polizeitrainer Magazin
Parkes, J. (2002): A Review Of The Literature On Positional Asphyxia As A Possible Cause Of Sudden Death During Restraint. British Journal Of Forensic Practice. 4(1) 24-30
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